Mehr Vielfalt, mehr Wirkung – warum digitales Matchmaking zwischen Stiftungen und Stiftungsratsmitgliedern alte Muster aufbricht

Im Gespräch mit Dominic Lüthi (StiftungsratsMandat.com) 

Claudia Graf: Lieber Dominic, schön, dass Du Dir Zeit nimmst für dieses Gespräch. Bei der Hermine GmbH begleiten wir Stiftungen bei der Geschäftsführung, der strategischen Entwicklung und als Mitglied im Stiftungsrat. Dabei taucht auch das Thema «Gremienbesetzung» auf. Deshalb freue ich mich besonders, mit Dir über Eure Arbeit und die Zukunft von Stiftungsräten zu sprechen. Magst Du Dich kurz vorstellen? Wer bist Du, was machst du?

Dominic Lüthi: Ich bin Familienmensch und Unternehmer und engagiere mich seit vielen Jahren für die Professionalisierung von strategischen Gremien in der Schweiz – nebst VR-Gremien insbesondere auch für Stiftungen, Vereine und Non-Profit-Organisationen. Mit StiftungsratsMandat.com haben wir ein digitales Werkzeug geschaffen, das Stiftungen und potenzielle Stiftungsratsmitglieder unkompliziert, transparent und liberal miteinander verbindet. Ziel ist es, die Zusammensetzung von Stiftungsräten zu öffnen, unabhängiger zu machen und stärker auf Fakten, Kompetenzen und Wirkung zu stützen – statt auf persönliche Netzwerke, Abhängigkeiten oder Sympathien. Damit fördern wir eine nachhaltige, diversere und glaubwürdigere Governance-Kultur im Schweizer Stiftungswesen.

Claudia Graf: Das spricht mir sehr aus dem Herzen. In meinen früheren Tätigkeiten und auch jetzt beobachte ich, dass Diversität und eine bewusste Zusammensetzung enorm viel ausmachen. Ich finde Euren Ansatz spannend, weil ihr damit einen Kulturwandel anstösst: weg von der «man kennt sich»-Mentalität hin zu einem professionellen, offenen Prozess. Wie bist du ursprünglich mit dem Thema Stiftungsrat in Kontakt gekommen?

Dominic Lüthi: Die Schnittstelle zwischen Governance, Strategie, Gemeinwohl und Verantwortung hat mich schon früh fasziniert. Durch meine Arbeit im Bereich Verwaltungsräte sah ich, dass Stiftungen ähnliche Herausforderungen haben: Die Suche nach passenden Mitgliedern läuft in vielen Stiftungen noch immer informell und wenig strukturiert ab. Gleichzeitig sind die Erwartungen an Stiftungsratsmitglieder enorm hoch: Sie tragen Verantwortung für Vermögen, Langfristigkeit, Wirkung und Vertrauen – meist bei sehr geringer oder gar keiner Entschädigung. Dieses Spannungsfeld hat mich motiviert, den Bereich gezielt weiterzuentwickeln und ein konkretes, einfach zugängliches Werkzeug zu schaffen, das Stiftungen bei einer systemischen, unabhängigen und fairen Besetzung unterstützt.

Claudia Graf: Das sehe ich genauso. Der Spagat zwischen Engagement und Professionalität ist riesig. Viele Stiftungsratsmitglieder arbeiten nach wie vor aus Idealismus, und genau deshalb braucht es Strukturen, die sie entlasten. Eure Plattform kann da ein Hebel sein. Was hat dich dazu inspiriert, StiftungsratsMandat.com zu gründen?

Dominic Lüthi: Wir wollten die Türen öffnen und etwas verbessern. Viele Stiftungen rekrutieren Mitglieder noch immer über engste, persönliche Netzwerke. Das schliesst eine Grosszahl an engagierten, kompetenten Menschen aus, die bereit wären, Verantwortung zu übernehmen und das Team zu bereichern. Mit StiftungsratsMandat.com schaffen wir liberale, demokratische, digitale Zugänge – damit NPO die richtigen Personen finden und gleichzeitig neue Perspektiven gewinnen – und das alles mit der «Do-it-yourself-Methode». Es geht um mehr als Matching – es geht um Kulturwandel: um Ethik, Transparenz, Unabhängigkeit, Diversität und Vertrauen.

Claudia Graf: Kulturwandel – das gefällt mir besonders gut. Wenn Stiftungen beginnen, Diversität und Offenheit als Teil ihrer Kultur zu leben, verändert sich vieles: Entscheidungsqualität, Teamdynamik und letztlich auch die Wirkung gegen aussen. Hat sich die Rolle des Stiftungsrates in den letzten Jahren stark verändert?

Dominic Lüthi: Ich finde es gab einen Shift. Früher war der Stiftungsrat mehr im Hintergrund und oft rein aufs Aufsichtliche beschränkt. Heute ist er in gewissen Fällen ein aktiver Gestalter, der Wirkung verantwortet, Strategien mitentwickelt und die Zukunftsfähigkeit der Stiftung sichert. Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Ethik, Wirkungsorientierung und Transparenz fordern eine neue Haltung und Identifikation: weniger Verwaltung, mehr Verantwortung.

Claudia Graf: Das sehe ich ebenso. Diese Entwicklung fordert ein neues Selbstverständnis. Welche Kompetenzen und Charaktereigenschaften sind heute besonders wichtig?

Dominic Lüthi: Integrität, Weitsicht und Dialogfähigkeit und noch viele mehr. Stiftungsratsmitglieder müssen langfristig strategisch denken, aber auch zuhören können. Neben Fach- und Branchenwissen zählen heute auch soziale Intelligenz, ethisches Bewusstsein und die Bereitschaft, sich mit neuen Themen wie Impact, KI, ESG oder Digitalisierung im Generellen auseinanderzusetzen. Eine gute Mischung aus Erfahrung und Lernbereitschaft ist entscheidend.

Claudia Graf: Ich finde das Zusammenspiel von Erfahrung und Lernbereitschaft zentral. Aktiv Neues lernen zu wollen ist eine Schlüsselkompetenz. Wie würdest du die ideale Zusammensetzung eines Stiftungsrates beschreiben?

Dominic Lüthi: Ein Stiftungsrat ist meiner Meinung nach ideal zusammengesetzt, wenn er die Vielfalt des Stiftungszwecks, des Wirkungsgebiets und der Gesellschaft widerspiegelt und der Aufgabe gerecht wird – Abbilden lässt sich das z.B. in Alter, Geschlecht, Herkunft, Fachkompetenzen und insbesondere in den Perspektiven. Entscheidend ist, dass die Mitglieder unabhängig denken, sich gegenseitig respektieren und den Stiftungszweck über persönliche Interessen stellen. Vielfalt schafft Balance – und Balance führt zu ausgewogeneren (meines Erachtens: besseren) Entscheidungen.

Claudia Graf: Ja, genau. Heterogene Teams sind stabiler und kreativer. Vielfalt braucht aber auch Struktur und gemeinsame Werte, um ihr Potential zu entfalten. Welche typischen Fehler beobachtest du bei Stiftungen in der Besetzung?

Dominic Lüthi: Viele Stiftungen bleiben in bestehenden, engen Kreisen. Man sucht vor allem «jemanden, den man schon gut kennt», statt gezielt nach den Kompetenzen, die tatsächlich gebraucht werden. Häufig wird der Auswahlprozess zudem von einer einzelnen Person – meist vom Stiftungsratspräsidium – initiiert und dominiert, welche früh einen eigenen Vorschlag einbringt. Dadurch wird der Gesamtstiftungsrat oft zu wenig in eine offene, liberale Suche und die gemeinsame Profilerstellung einbezogen. Gleichzeitig wird die klare Rollenverteilung im Gremium unterschätzt: Wer führt? Wer hinterfragt? Wer bringt eine unabhängige, externe Sicht ein? Diese Fragen sind zentral, um Verantwortung, Vielfalt, Wirkung und Vertrauen langfristig sicherzustellen.

Claudia Graf: Das sind entscheidenden Fragen. Es geht nicht nur darum, wer gewählt wird, sondern wie und warum die Entscheidung zustande kommt. Welche Herausforderungen siehst du für Stiftungen in den nächsten Jahren und was bedeutet das für ihre Gremien?

Dominic Lüthi: Stiftungen müssen lernen, sich stärker als lernende Organisationen zu verstehen. Gesellschaftlicher Wandel, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Kommunikation, Transparenz, Nachfolgefragen und das Vertrauen der Öffentlichkeit sind grosse Themen. Gremien werden künftig noch stärker zur Brücke zwischen Idealismus und professioneller Governance. Dafür braucht es neue Profile, mehr Mut und eine offene Kultur.

Hinzu kommt: Viele kleinere Stiftungen haben den Weg der digitalen Transformation erst teilweise oder kaum beschritten – sei es bei der Kommunikation, im Reporting, im Fundraising oder in der Verwaltung ihrer Prozesse. Gleichzeitig stehen gerade Organisationen ohne eigene Geschäftsstelle vor der Herausforderung, dass strategische und operative Aufgaben oft verschwimmen. Das führt dazu, dass Stiftungsratsmitglieder stärker in das Tagesgeschäft eingebunden werden, als es ihrer eigentlichen Rolle entspricht. Hier braucht es Klarheit, Struktur – und ein Bewusstsein dafür, dass gute Governance auch klare Grenzen und Zuständigkeiten bedeutet.

Claudia Graf: Du sprichst etwas ganz Zentrales an. Gerade kleinere Stiftungen geraten schnell in dieses Spannungsfeld zwischen Strategie und Alltag. Wenn keine Geschäftsstelle vorhanden ist, übernehmen Stiftungsratsmitglieder plötzlich operative Aufgaben. Aus Engagement, aber auch aus Notwendigkeit. Genau hier setzen wir bei Hermine GmbH an: wir übernehmen Geschäftsführungsmandate und schaffen damit Entlastung des Stiftungsrates durch klare Rollenteilung. Wie funktioniert StiftungsratsMandat.com im Alltag – ganz praktisch?

Dominic Lüthi: Die Plattform ist einfach aufgebaut: Stiftungen können potenzielle Kandidierende gezielt nach Erfahrung, Region, Themen, Kompetenzen und weiteren Aspekten filtern. Kandidatinnen und Kandidaten legen ein Profil an, das ihre Motivation und Expertise beschreibt. So entsteht ein Matching zwischen Bedarf und Persönlichkeit. Wir begleiten den Prozess auf Wunsch mit Tools und Orientierungshilfen, aber die Auswahl bleibt immer bei den Stiftungen selbst. Auch Vereine nutzen den Service zunehmend, weil er ergebnisorientiert, fair, transparent und bezahlbar ist und sie im Vorstand oft vergleichbare Herausforderungen wie Stiftungen haben.

Claudia Graf: Genau das braucht es: einfache, durchdachte Tools, um Prozesse zu professionalisieren. Gibt es ein konkretes Beispiel, wo eine gute Zusammensetzung den Unterschied gemacht hat?

Dominic Lüthi: Ja, viele. Besonders eindrücklich war eine Stiftung aus dem Kunstbereich, die durch mehrere neue Mitglieder frischen Schwung erhielt, die Nachfolge der Stiftungsperson erfolgreich initiierte und zugleich Themen wie Digitalisierung, Wirkungsmessung und kommunikative Aspekte anpackte. Das zeigt, wie stark Vielfalt die Innovationskraft und Glaubwürdigkeit einer Organisation stärkt.

Ein zweites Beispiel betrifft einen Not-for-Profit-Verein, dessen Präsidialperson bei der Nachbesetzung gezielt und offen nach passenden Vorstandsmitgliedern gesucht hatte. Dank der sorgfältigen Auswahl konnten die Ressorts nach der Wahl mit sehr wenig Übergabeaufwand übergeben werden – ein schönes Feedback, das uns sehr gefreut hat.

Und ein drittes Beispiel ist eine schweizweit bekannte Stiftung im Bereich Leben im Alter, die bei ihrer Suche über unsere Plattform viele spannende Profile fand. Die Auswahl war so gut, dass die Entscheidung zur echten Herausforderung wurde – ein starkes Zeichen für Qualität und die Effektivität der Auswahl-Prozesse bei uns.

Claudia Graf: Das sind tolle Beispiele einer guten Besetzungskultur. Frauen, jüngere Personen oder Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen sind hingegen oft noch untervertreten. Woran liegt das?

Dominic Lüthi: Zum einen liegt es an tradierten Strukturen – man wählt, wen man kennt und wo man evt. auch eine gewisse Loyalität erwarten kann. Zum anderen fehlt oft der Mut, bewusst neue und unabhängige Perspektiven einzuladen. Zudem liegt es in der Natur der Sache, dass strategische Aufgaben im Stiftungsrat Erfahrung und Weitsicht erfordern – beides korreliert oft mit einem gewissen Alter. Dadurch wird es für die jüngere Generation tendenziell schwieriger, in solche Gremien gewählt zu werden. Genau hier setzt unsere Plattform an: mit Transparenz, fairen Chancen und einer neuen Offenheit im Rekrutierungsprozess.

Claudia Graf: Das ist ein zentraler Punkt. Diversität entsteht nicht «von selbst», sondern muss gewollt und gestaltet werden. Welche Trends und Entwicklungen findest du aktuell in der Stiftungswelt besonders spannend?

Dominic Lüthi: Sehr inspirierend finde ich, dass immer mehr Stiftungen Wirkungsmessung, Nachhaltigkeit, Transparenz und gesellschaftliche Verantwortung nicht nur als Pflicht, sondern als Chance verstehen. Auch die Digitalisierung der Philanthropie – also der Zugang zu Wissen, Talenten und Kooperationen – bringt viel Dynamik. Besonders wichtig finde ich zudem die unabhängige Stimme der Stiftungen: Gerade, weil sie in der Regel keine wirtschaftlichen Abhängigkeiten haben, können sie unbefangener und glaubwürdig zu zentralen gesellschaftlichen Themen Stellung nehmen.

Und mich persönlich bewegt ein weiterer Aspekt: Viele Stiftungen tragen dazu bei, dass in unserer schnelllebigen Zeit das kulturelle Gedächtnis nicht verloren geht. Sie bewahren Geschichte, entschleunigen, schützen ästhetische oder bedeutende Objekte, Bauten und Sammlungen – und sichern damit teils identifizierende Werte für kommende Generationen. Die Stiftungswelt wird offener, pluralistischer, transparenter und mutiger – und das ist für mich eine sehr positive Entwicklung.

Claudia Graf: Wenn du drei Tipps geben würdest: Worauf sollte jede Stiftung achten, wenn sie ihren Stiftungsrat zusammenstellt?

Dominic Lüthi: Erstens: Traktandiert das Thema Nachfolge regelmässig, z.B. ein mal pro Jahr. Macht den Besetzungsprozess transparent und respektvoll – mit Einbezug aller Mitglieder. Das stärkt das Vertrauen und den Teamgeist im Stiftungsrat.

Zweitens: Sorgt für Vielfalt und auch etwas Unabhängigkeit im Stiftungsrat. Sie sind kein Selbstzweck, sondern ein Schlüssel für Qualität und Glaubwürdigkeit.

Drittens: Wählt mit Blick auf Kompetenzen und auf die zukünftigen Herausforderungen der Organisation – nicht primär nach vertrauten Bekanntschaften.

Claudia Graf: Das sind wunderbare Schlussgedanken. Vielen Dank, Dominic, für das inspirierende Gespräch und für Euren Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Stiftungslandschaft in der Schweiz. 

 

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Bild: Dominic Lüthi & Claudia Graf

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